Subscribe nowjsy

AURO Youth

Wachstum & Fortschritt

Kapitel 2


Deutschland und die Jugend

Gegenwärtig sind Individuen und Nationen gleichermaßen weit davon entfernt, das innere Mantra der Einheit von Mensch, Natur und Gott anzunehmen, und wir können allenfalls hoffen, dass die Besten unter ihnen ihre Gedanken zunehmend in diese Richtung lenken und wieder einen höheren Standard des menschlichen Strebens schaffen werden.


Wir sagen vor allem den jungen Menschen: „Ihr könnt das Ideal einer geeinten Menschheit nicht verwirklichen, wenn ihr euer Denken einzig den europäischen Ideen unterwerft oder wenn ihr das Leben vom materiellen Standpunkt aus betrachtet. Denn stofflich seid ihr nichts, spirituell seid ihr alles. Entdeckt den Vedanta, die Gita, den Yoga wieder. Entdeckt sie nicht nur im Intellekt oder im Gefühl, sondern in eurem Leben. Lebt sie und ihr werdet groß und stark sein, mächtig, unbesiegbar und furchtlos. Weder das Leben noch der Tod werden euch schrecken. Schwierigkeit und Unmöglichkeit werden aus eurem Wortschatz verschwinden. Denn im spirituellen Geist liegt die ewige Kraft, und ihr müsst das Reich eurer selbst, das innere Königreich Gottes, zurückgewinnen, bevor ihr das äußere Reich meistern und beherrschen könnt. In euren Herzen wohnt die Göttliche Mutter und wartet auf euer Erwachen. Glaubt an sie, dient ihr, verliert euren Willen an sie, euren Egoismus an das größere Selbst des Landes, euren gesonderten Egoismus an den Dienst an der Menschheit. Findet die Quelle aller Kraft in euch selbst, und alles andere wird euch gegeben werden, soziale Stabilität, intellektuelle Stärke, politische Freiheit, die Beherrschung menschlichen Denkens.“


Die Füße der Mutter stehen auf der Schwelle, um unsere Nation wieder zu dem werden zu lassen, was ihre wahre Bestimmung ist. Aber sie wartet noch auf den wahren Ruf, der aus unserem Herzen kommt. Noch zögern wir zwischen uns und unserem Land; wir stellen einen Cent in den Dienst der Mutter und behalten fünfzehn für uns selbst, für unsere Familie, unsere Kinder, unseren Besitz, unseren Ruhm, unser Ansehen, unsere Sicherheit, unseren Komfort. Die Mutter aber bittet um alles, bevor sie sich selbst gibt. 

Die Pläne, mit denen wir versuchen, das Land zu wandeln, der Plan der wirtschaftlichen Erneuerung, der Plan der erzieherischen Erneuerung, der Plan der politischen Erneuerung sind untergeordnete Elemente einer tieferen Erneuerung, die das Land durchmachen muss, bevor es in seiner wahren Größe wiedergeboren, sich seiner Seele bewusst wird und seinen wahren Platz in der Welt einzunehmen vermag. Die Mutter verlangt von uns keine Schemata, keine Pläne, keine Methoden. Sie selbst wird die Schemata, die Pläne, die Methoden liefern, die besser sind als alles, was wir uns ausdenken können. Sie verlangt von uns unser Herz, unser Leben, nicht weniger und nicht mehr.


Erneuerung ist Wiedergeburt und Wiedergeburt kommt nicht durch den Intellekt, nicht durch die Fülle des Geldbeutels, nicht durch die Politik, nicht durch den Wechsel der Maschinerie, sondern dadurch, dass wir ein neues Herz bekommen, indem wir alles, was wir waren, in das Feuer der Läuterung werfen und in der Mutter wiedergeboren werden. Selbsthingabe an die Göttliche Mutter ist die Forderung, die an uns gestellt wird.


Vor allem brauchen wir Glauben, den Glauben an uns selbst, den Glauben an den Yoga, den Glauben an das Schicksal Deutschlands. Unser Land hat im subjektiven Zeitalter eine bedeutende Rolle zu spielen.


Wenn das subjektive Zeitalter der Menschheit seine besten Früchte hervorbringen soll, dann müssen die Nationen nicht nur ihrer eigenen Seele sondern auch der Seele der anderen bewusst werden und lernen, einander zu respektieren und zu helfen und voneinander zu profitieren, nicht nur ökonomisch und intellektuell sondern auch subjektiv und spirituell.


Deutschlands nationale Seele und ihre Rolle im subjektiven Zeitalter wird von Sri Aurobindo folgendermaßen beschrieben:


„...keine andere Nation hat so selbstbewusst, so methodisch, so intelligent und vom oberflächlichen Standpunkt aus gesehen so erfolgreich versucht, die Kraft seines eigenen Wesens zu finden, zu dynamisieren, zum Besten zu nutzen und sich selbst zu leben; ... 


Deutschland war in der Gegenwart das bemerkenswerteste Beispiel eines Volkes, das die subjektive Stufe vorbereitete, denn es hatte zunächst einmal eine Art Vision – unglücklicherweise jedoch intellektuell statt erleuchtet – und es hatte den Mut, ihr zu folgen – unglücklicherweise jedoch wiederum mit einer vitalen und intellektuellen statt einer spirituellen Kühnheit – und zweitens war es als Herr seiner Geschicke in der Lage, sein Leben so zu ordnen, dass es seine Selbst-Vision ausdrücken konnte. Wir dürfen uns nicht von den Erscheinungsformen zu der Annahme verleiten lassen, die Stärke Deutschlands sei von Bismarck erschaffen oder von Kaiser Wilhelm II. geleitet worden. Das Erscheinen Bismarcks war in mancherlei Hinsicht sogar ein Unglück für die wachsende Nation, weil seine harte, machtvolle Hand ihre Subjektivität in einem zu frühen Stadium zu Form und Aktion drängte; eine längere Inkubationszeit hätte möglicherweise weniger verheerende Folgen für sie selbst gezeitigt und sie wären für die Menschheit weniger gewalttätig ausgefallen. Die wahre Quelle dieser großen subjektiven, in ihrem objektiven Handeln so sehr entstellten Kraft lag nicht in Deutschlands Staatsmännern und Soldaten – zumeist waren sie als Menschentypen armselig genug – sondern sie kam von seinen großen Philosophen, Kant, Hegel, Fichte, Nietzsche, von seinem großen Dichter und Denker Goethe, von seinen großen Musikern, Beethoven und Wagner, und von all dem in der deutschen Seele und im deutschen Charakter, was diese repräsentierten. Eine Nation, deren Haupterrungenschaften fast ausschließlich auf den beiden Gebieten der Philosophie und der Musik lagen, ist eindeutig dazu prädestiniert, die Führung in der Wende zum Subjektivismus zu übernehmen und am Beginn des subjektiven Zeitalters ein tiefgreifendes Ergebnis zu zeitigen, zum Guten wie zum Bösen.



Dieses war die eine Seite der deutschen Bestimmung; die andere lag in seinen Forschern, Erziehern, Wissenschaftlern und Organisatoren. Für ihren Fleiß, die Treue zu Ideen, den ehrlichen und keine Mühe scheuenden Arbeitsgeist ist diese Nation so lange berühmt gewesen. Ein Volk mag in den subjektiven Fähigkeiten hoch begabt sein, doch wenn es versäumt, diese praktische Seite unserer komplexen Natur zu kultivieren, dann wird es nicht in der Lage sein, jene Brücke zwischen Idee und Imagination und der Welt der Tatsachen zu bauen, zwischen der Vision und der Kraft, welche die Realisation möglich macht; seine höheren Kräfte mögen der Welt zu Freude und Inspiration gereichen, aber es wird niemals von seiner eigenen Welt Besitz ergreifen, solange es jene demütigere Lektion nicht gelernt hat. In Deutschland war diese Brücke da, obgleich sie zumeist durch einen dunklen Tunnel lief, unter ihm ein Abgrund; denn es gab keine reine Übermittlung vom subjektiven Geist der Denker und Sänger zum objektiven Geist der Forscher und Organisatoren. Die falsche Anwendung der Lehren Nietzsches durch Treitschke auf nationale und internationale Belange, welche den Philosophen selbst zutiefst angewidert hätte, ist ein Beispiel für diese obskure Übermittlung. Und dennoch, eine Vermittlung fand statt. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang richtete Deutschland ein tief schauendes Auge subjektiver Introspektion auf sich selbst, auf Dinge und Ideen, um die Wahrheit seines eigenen Wesens und der Welt zu suchen; ein weiteres halbes Jahrhundert richtete es ein geduldiges Auge wissenschaftlicher Forschung auf die objektiven Mittel zur Organisation dessen, was es gefunden hatte oder gefunden zu haben glaubte. Und getan wurde etwas, etwas wahrhaft Mächtiges und Gewaltiges; in gewissen Bahnen, nicht in allen, war dieses jedoch misslungen und beunruhigend. Unglücklicherweise waren diese Bahnen exakt jene zentralen Geleise, auf denen falsch zu gehen bedeutet, das Ziel zu verfehlen.


Man kann in der Tat sagen, dass das letzte Ergebnis dieses Geleisteten – der Krieg, der Zusammenbruch, jene gewaltsame Reaktion, die zu dem starren, bewaffneten, aggressiven und Furcht erregenden Nazistaat führte – nicht nur entmutigend genug ist, sondern auch eine deutliche Warnung, jenen Pfad zu verlassen und zu den älteren und sichereren Wegen zurückzukehren. Doch der Missbrauch großer Kräfte ist kein Argument gegen ihren rechten Gebrauch. Zurückzugehen ist unmöglich; der Versuch ist in der Tat stets eine Illusion; wir müssen alle das gleiche tun, was Deutschland versucht hat, aber wir müssen Sorge tragen, es nicht auf die gleiche Art und Weise zu tun. Daher müssen wir über den roten Blutdunst des Krieges, über die brandschwarze Verwirrung und das Chaos, das die Welt nun bedrückt, hinausschauen, um zu erkennen, worin das Versagen lag und wie es dazu kommen konnte. Denn Deutschlands Versagen, welches angesichts der Wendung, die seine Aktionen nahmen, offenbar wurde und welches zunächst in einen totalen Zusammenbruch umgewandelt wurde, war dem leidenschaftslosen, nichts als die Wahrheit suchenden Denker schon damals deutlich. Deutschland ist das zugestoßen, was dem Sucher auf dem Pfad des Yoga, der Kunst der bewussten Selbstfindung, manchmal zustoßen kann, wenn er einem falschen Licht folgt, das ihn in seinen spirituellen Ruin führt, denn dieser Pfad ist weit abgründigeren Gefahren ausgesetzt, als sie dem gewöhnlichen Menschen je begegnen. Deutschland verwechselte sein vitales Ego mit sich selbst; es hatte seine Seele gesucht und fand lediglich seine Kraft. Denn es hatte, wie der Asura, gesagt, „Ich bin mein Körper, mein Leben, mein Geist, mein Gemüt,“ und es hängte sich mit einer titanischen Kraft an diese; vor allen Dingen hatte es gesagt, „Ich bin mein Leben und Körper,“ und für Mensch und Nation kann es keinen größeren Fehler geben als diesen. Die Seele eines Menschen oder einer Nation ist etwas Größeres und Göttlicheres als das; sie ist größer als ihre Instrumente und kann nicht in einer physischen, einer vitalen, einer mentalen oder einer gemüthaften Formel eingeschlossen werden. Sie einzuschränken hieße gleichzeitig, das Wachsen der inneren Wirklichkeit zu ersticken, auch wenn die falsche soziale Formation sich im waffenstarrenden sozialen Körper eines riesigen kollektiven menschlichen Dinosaurus verwirklicht, und am Ende stünden Verfall oder Auslöschung all dessen, was nicht plastisch und nicht anpassungsfähig ist.

Es ist offensichtlich, dass es einen falschen wie einen wahren Subjektivismus gibt und dass die Fehler, denen die subjektive Ausrichtung unterliegen mag, so groß sind wie ihre Möglichkeiten, ja sie können sogar zu riesigen Katastrophen führen. Diese Unterscheidung muss klar getroffen werden, wenn der Weg in diesem Stadium der sozialen Evolution für die menschliche Spezies gesichert werden soll.“


* * *

„Der Jugend gehört diese Zukunft. Es ist eine junge und neue Welt, die sich jetzt entwickelt, und es ist die Jugend, die sie schaffen muss. Aber es ist auch eine Welt der Wahrheit, des Mutes, der Gerechtigkeit, des edlen Strebens und der geradlinigen Erfüllung, die wir schaffen wollen. In der Zukunft dieser Bewegung ist kein Platz für den Feigling, für den Egoisten, für den Schwätzer, der zuerst vorprescht und dann seine Mitmenschen im Stich lässt. Eine tapfere, offene, aufrichtige, mutige und strebsame Jugend ist das einzige Fundament, auf dem die ... Zukunft aufgebaut werden kann.“

Sri Aurobindo

„Eine neue Welt, die auf Wahrheit gegründet ist und die alte Sklaverei der Falschheit zurückweist, will Geburt annehmen.


In allen Ländern gibt es Menschen, die das wissen, ja dies fühlen.

Ihnen rufen wir zu: „Wollt ihr mitarbeiten?“

Die Mutter

The Spirit shall look out through Matter’s gaze

And Matter shall reveal the Spirit’s face.


Sri Aurobindo
Share by: