Die Welt ist eine Einheit
Die Welt ist eine Einheit – das war schon immer so, und das bleibt auch so für alle Zeiten, selbst jetzt ist es so –, die Welt ist sich lediglich ihrer Einheit nicht bewusst. Sie muss bewusst gemacht werden. Wir glauben, dass die Zeit jetzt günstig ist für dieses Unterfangen.“ (Die Mutter)
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Wie kann die Menschheit eins werden?
Durch die Bewusstwerdung ihres Ursprungs.
Auf welche Weise lässt sich das Bewusstsein einer geeinten Menschheit im Menschen entwickeln?
Durch spirituelle Erziehung. Das heißt durch eine Erziehung, die dem Wachstum des spirituellen Geistes mehr Bedeutung beimisst als jeglichen religiösen oder moralischen Lehren oder gar materiellem, sogenannten Wissen.
Was ist der Wandel des Bewusstseins?
Ein Wandel des Bewusstseins entspricht einer neuen Geburt, der Geburt in eine höhere Sphäre der Existenz.
Wie kann ein Bewusstseinswandel das Leben auf Erden verändern?
Ein Wandel im menschlichen Bewusstsein wird die Manifestation einer höheren Kraft, eines reineren Lichtes, einer umfassenderen Wahrheit auf Erden ermöglichen.
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Wie kann man eine dauerhafte Welteinheit erreichen?
Das Bewusstsein des EINEN zu verwirklichen.
(Die Mutter, CWM Vol. 15, p. 64, pp. 60-61)
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Liegt die Hoffnung der Menschheit in einer rationalen oder in einer spirituellen Zivilisation und Kultur?
Es gibt zwei Aspekte der Religion: wahre Religion und Religiosität.
Die wahre Religion ist eine spirituelle Religion. Sie sucht im spirituellen Geist zu leben, jenseits des Intellekts, der Ästhetik, des ethischen und praktischen Wesens des Menschen, und sie erstrebt, diese Teile unseres Wesens mit dem höheren Licht und Gesetz des Geistes zu erfüllen und zu lenken.
Religiosität dagegen verschanzt sich hinter enger, pietistischer Erhöhung der niederen Wesensteile oder misst intellektuellen Dogmen, Formen und Zeremonien, einem festgelegten und strengen Moralkodex, einem religiös-politischen oder religiös-sozialen System übertriebenen Wert bei. Wohl sollten diese Dinge nicht vernachlässigt werden, da sie weder wertlos noch unnötig sind. Eine spirituelle Religion sollte die Hilfe von Zeremonien, Glaubenssätzen oder Systemen nicht missachten. Im Gegenteil, die Menschheit bedarf ihrer, da ihre niederen Wesensteile erhoben und geläutert werden müssen, ehe sie spiritualisiert werden, ehe sie den Geist unmittelbar fühlen und seinem Gesetz gehorchen können. Der Verstand bedarf oft einer intellektuellen Formel, einer Zeremonie für das ästhetische Temperament, eines Moralkodex für die vitale Natur des Menschen in seiner Hinwendung zum inneren Leben. Aber all dies sollte nur Hilfe oder Stütze sein. Es ist nicht die Essenz selbst. Eben weil es dem rationalen Wesensteil angehört, kann es nichts anderes sein. Stützt man sich allzu sehr auf diese Formen, können sie sogar das überrationale Licht verdunkeln. So, wie diese Hilfen sind, müssen sie dem Menschen angeboten und von ihm benutzt, nicht aber dürfen sie ihm als einziges Gesetz mit unbeugsamem Willen aufgezwungen werden.
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Der Mohammedaner, der Hindu, der Buddhist, der Christ, der Jude wird in Europa nicht aufhören müssen, Mohammedaner, Hindu, Buddhist, Christ oder Jude zu sein, um sich zu einer großen und mächtigen europäischen Nation zu vereinigen. Hingabe an die eigenen Ideale und Institutionen, mit Toleranz und Respekt für die Ideale und Institutionen anderer Teile der Gemeinschaft, und eine glühende Liebe und Zuneigung für das gemeinsame staatsbürgerliche Leben und Ideal aller – das ist es, was von uns für den Aufbau der wahren europäischen Nation jetzt kultiviert werden muss. Der Versuch, sie auf irgendeine andere Weise aufzubauen, wird unmöglich sein.
Spiritualität bedeutet nicht, das nationale Wesen gemäß den begrenzten Dogmen, Formen und Lehren einer bestimmten Religion zu gestalten. Ein solcher Versuch ist ganz und gar unmöglich in einem nationalen Verbund, in dem es eine so große Vielfalt religiöser Anschauungen gibt. Spiritualität ist viel umfassender als jede spezifische Religion. In ihren grundlegenden Vorstellungen bleibt selbst die größte Religion nichts weiter als eine Sekte oder ein Zweig der einen universalen, spirituellen Religion. In der Zukunft werden wir unter Religion die Suche des Menschen nach dem Ewigen verstehen, nach dem Göttlichen, dem höheren Selbst, der Quelle der Einheit. Wir werden unter der zukünftigen Religion eine Bemühung verstehen, zu einer Angleichung, einer wachsenden Annäherung der Werte des menschlichen Lebens an die ewigen und göttlichen Werte.
Einer Sache können wir sicher sein: religiöse Einheit kann nicht durch politische Anpassungen oder Schmeicheleien herbeigeführt werden. Sie muss tiefer im Herzen und im Verstand gesucht werden, denn dort, wo die Ursachen der Uneinigkeit liegen, müssen auch die Heilmittel gesucht werden. Wir werden gut daran tun, wenn wir versuchen, dieses Problem zu lösen. Wir müssen uns daran erinnern, dass Missverständnisse die Hauptursache unserer Differenzen sind, dass Liebe Liebe erzwingt und dass Stärke die Starken versöhnt. Wir müssen uns bemühen, die Ursachen der Missverständnisse durch eine bessere gegenseitige Kenntnis und Sympathie zu beseitigen; wir müssen die unbeugsame Liebe des Patrioten für sein Land auf unseren muslimischen, buddhistischen, hinduistischen und jüdischen Bruder ausdehnen, immer daran denkend, dass auch in ihm das Göttliche wohnt und unsere Große Mutter auch ihm einen festen Platz in ihrem Schoß gegeben hat. Das ist der einzige praktische Weg, mit dieser Schwierigkeit umzugehen. Es muss Teil der Arbeit sein, die großen Religionen in ein neues Licht zu stellen, gerechtere Ansichten über die Geschichte und Kultur der großen Religionen zu verbreiten, den Platz des Moslems, Buddhisten, Hindu, Christen und Jude in unserer nationalen Entwicklung und die Mittel zur Harmonisierung deren vielseitigen Gemeinschaftslebens mit dem unseren zu würdigen, ohne die Schwierigkeiten zu ignorieren, die uns im Wege stehen, sondern das Beste aus den Möglichkeiten der Brüderlichkeit und des gegenseitigen Verständnisses zu machen. Intellektuelle Sympathie kann nur zusammenbringen, allein die Sympathie des Herzens kann vereinen. Aber das eine ist eine gute Vorbereitung für das andere.
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Den jungen Menschen sagen wir: Die Zeit ist gekommen, dass ihr einen großen Schritt tut und euch aus dem materiellen Dasein in das höhere, tiefere und weitere Leben erhebt, auf das sich die gesamte Menschheit zubewegt. Die Probleme der Menschheit können nur gelöst werden, indem das Königreich im Inneren erobert wird, und nicht indem die Kräfte der Natur in den Dienst von Bequemlichkeit und Luxus gestellt werden, sondern indem die Kräfte des Intellekts und des Geistes beherrscht werden, indem die Freiheit des Menschen im Inneren wie im Äußeren begründet wird und indem die äußere Natur von innen her erobert wird. Für dieses Werk ist das Wiedererstarken der spirituellen Disziplin, wie wir sie im Yoga finden, notwendig. Deshalb erhebt sich der Yoga aus seinen asketischen Einsiedeleien und verströmt sich von Indien aus in die ganze Welt.
Yoga führt die Menschheit zur wahren Quelle menschlicher Freiheit, menschlicher Gleichheit und menschlicher Brüderlichkeit zurück. Wenn der Mensch im Geiste frei ist, steht ihm alle andere Freiheit offen; denn der Freie ist der Herr, der nicht gebunden werden kann. Wenn er von der Verblendung befreit ist, nimmt er die göttliche Gleichheit der Welt wahr, die sich durch Liebe und Gerechtigkeit erfüllt, und diese Wahrnehmung überträgt sich auf das Gesetz der Regierung und der Gesellschaft. Wenn der Mensch diese göttliche Gleichheit wahrgenommen hat, ist er Bruder für die ganze Welt, und welche Position er auch immer inne hat, er dient allen Menschen als seine Brüder durch das Gesetz der Liebe, durch das Gesetz der Gerechtigkeit. Wenn diese Wahrnehmung zur Grundlage der Religion, der Philosophie, des sozialen und politischen Strebens wird, dann werden Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ihren Platz in der Struktur der Gesellschaft einnehmen und das Satya Yuga, das Zeitalter der Wahrheit, wird zurückkehren.
Das ist das wahre Lebensgesetz – Dharma – eines jeden Menschen:
frei in der Seele zu sein, nicht durch Zwang, sondern durch Liebe zum Dienst verpflichtet;
gleich im Geiste zu sein, seinen Platz in der Gesellschaft durch seine Fähigkeit, der Gesellschaft zu dienen, zugewiesen zu bekommen und nicht durch den Eigennutz anderer;
in harmonischen Beziehungen mit seinen Mitmenschen zu stehen, mit ihnen verbunden durch gegenseitige Liebe und Dienst, nicht durch die Fesseln der Knechtschaft oder die Beziehungen des Ausbeuters und des Ausgebeuteten.
Man hat gesagt, die Demokratie beruhe auf den Rechten des Menschen.
Man hat erwidert, sie solle sich eher auf die Pflichten des Menschen stützen. Aber sowohl Rechte als auch Pflichten sind europäische Ideen. Dharma, das wahre Lebensgesetz einen jeden Einzelnen, ist die indische Vorstellung, in der Rechte und Pflichten ihren künstlichen Antagonismus verlieren, der durch eine Weltanschauung geschaffen wurde, die den Egoismus zur Wurzel des Handelns macht. Durch das wahre Lebensgesetz wird die Menschheit ihre tiefe und ewige Einheit wiedererlangen. Dharma ist die Grundlage der Demokratie. Darin liegt der Unterschied zwischen der Seele Asiens und der Seele Europas. Dharma ist Indiens Geheimnis.
Wir müssen zu dem alten Geheimnis zurückkehren, das der Mensch als irdisches Wesen nur dunkel ahnte, dem er nur zögerlich nachging, das er tatsächlich nur oberflächlich mit seinem Verstand erkannte, aber nicht in wissendem Herzen begriff: zu dem Ideal des Königreich Gottes, zu dem Geheimnis der Herrschaft des spirituellen Geistes über Mental, Leben und Körper. Diesem zu folgen bedeutet seine gesellschaftliche wie individuelle Rettung.
Es gibt zwei Kräfte, die um die Herrschaft der Zukunft ringen. Sie werden repräsentiert vom intellektuellen Idealismus Europas und der Seele Asiens. Das Gemüt Europas, das durch den Hellenismus und das Christentum geprägt ist und seinen Horizont durch das freie Denken und die Wissenschaft erweitert, ist zu einer Idee der menschlichen Vervollkommnung oder des Fortschritts gelangt, die in den Begriffen einer intellektuellen, materiellen und vitalen Freiheit, der Gleichheit und der Einheit einer engen Verbindung, einer aktiven Brüderlichkeit oder Kameradschaft im Denken und Fühlen sowie in der Arbeit zum Ausdruck kommt. Die Anstrengung des europäischen Fortschritts ist eine Arbeit gewesen, eine soziale Maschinerie zu entdecken und einzurichten, die automatisch diese Inszenierung hervorbringen soll. Eine individualistische Demokratie, ein System politischer Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz, hat nur eine konkurrierende Freiheit der Stärksten und Geschicktesten, eine unmenschliche soziale Gleichheit und wirtschaftliche Ausbeutung, einen unaufhörlichen Klassenkrieg und eine monströse und schmutzige Herrschaft des Reichtums und der Produktionsmaschinerie hervorgebracht. Im sozialistischen Europa ist es eine Gleichheit, die so absolut ist, wie sie inmitten der Ungleichheiten der Natur durch Vernunft und Sozialwissenschaft und Maschinerie fabriziert werden kann: eine gleichberechtigte Teilhabe an der Arbeit und den gemeinsamen Gewinnen eines kollektiven Lebens. Diese Gleichheit kann jedoch nur durch strenge Regulierung gesichert werden. Das bedeutet, dass die Freiheit zumindest für eine Zeit untergehen muss.
Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass nichts im Leben wirklich sein kann, was nicht im spirituellen Geiste verwirklicht ist. Nur wenn die Menschen frei, gleich und im spirituellen Geiste, im Göttlichen, geeint werden können, kann es eine sichere Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in ihrem Leben geben. Die Idee und das Gefühl reichen nicht aus, denn sie sind unvollständig und werden von den niederen Wesensteilen und dem Instinkt bekämpft, zudem sind sie unbeständig und schwankend. Es muss einen immensen Fortschritt geben, der Freiheit, Gleichheit und Einheit zu unserer notwendigen inneren und äußeren Grundstimmung macht. Dies kann nur durch eine spirituelle Veränderung kommen. Der Intellekt Europas beginnt zu verstehen, dass die spirituelle Veränderung zumindest eine Notwendigkeit ist; aber er ist noch zu sehr auf rationale Formeln und auf mechanische Anstrengungen bedacht, um seine Zeit für die Entdeckung und Verwirklichung der Dinge des spirituellen Geistes zu erübrigen.
Asien hat keine so große Anstrengung, keine solche Mühsal an sozialer Anstrengung und Fortschritt gemacht. Ordnung, ein sicheres ethisches und religiöses Gerüst, ein geregeltes Wirtschaftssystem, eine natürliche Hierarchie waren Indiens allgemeine Arbeitsmethoden, und zwar überall dort, wo Indien eine hohe Entwicklung der Kultur erreichte. All dies wurde auf einen religiösen Sinn gegründet und durch ein starkes Gemeinschaftsgefühl, eine lebendige Humanität und Sympathie und durch gewisse Zugänge zu einer menschlichen Gleichheit und Nähe aufgelockert und erträglich gemacht. Das höchste Bestreben war es, nicht eine äußere, sondern eine spirituelle und innere Freiheit zu entdecken, und das brachte eine großartige Verwirklichung der spirituellen Gleichheit und spirituelles Einssein mit sich. Diese spirituelle Anstrengung wurde nicht verallgemeinert und es wurde auch nicht versucht, das gesamte menschliche Leben nach ihrem Bild zu formen. Die Folge war eine Zerrissenheit zwischen dem zutiefst innerlich lebenden Individuum und dem äußeren gesellschaftlichen Leben. Das führte zu einer wachsenden asketischen Abwanderung der im Geiste Lebenden aus den sicheren, aber zu engen Mauern der gewöhnlichen Existenz. Es herrschte die Idee, dass die spirituelle Wahrheit des Geistes nicht in diesem äußeren Leben gefunden werden kann, sondern nur außerhalb desselben zu verwirklichen sei.
Aber jetzt ist Asien, das dem mächtigen Druck Europas standhält, gezwungen, sich dem Lebensproblem erneut zu stellen, unter der Notwendigkeit einer anderen und aktiveren Lösung. Assimilativ mag sie das abendländische Experiment des Industrialismus, seine Phase des Kapitalismus, seine Phase des Sozialismus reproduzieren oder nachahmen. Dann aber wird Indiens Wiederaufleben keinen Sinn haben und keine neue Möglichkeit in das menschliche Streben hineinbringen.
Oder das engere Zusammentreffen dieser beiden Hälften des Gemüts der Menschheit kann eine stärkere Verbindung zwischen den beiden Polen unseres Wesens herstellen und eine hinreichende Gleichsetzung der höchsten Ideale eines jeden verwirklichen:
der inneren und der äußeren Freiheit, der inneren und der äußeren Gleichheit, der inneren und der äußeren Einheit.
Das ist die größte Hoffnung, die aus den gegenwärtigen Erkenntnissen und Gegebenheiten für die menschliche Zukunft gebildet werden kann.
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„Der Jugend gehört diese Zukunft. Es ist eine junge und neue Welt, die sich jetzt entwickelt, und es ist die Jugend, die sie schaffen muss. Aber es ist auch eine Welt der Wahrheit, des Mutes, der Gerechtigkeit, des edlen Strebens und der geradlinigen Erfüllung, die wir schaffen wollen. In der Zukunft dieser Bewegung ist kein Platz für den Feigling, für den Egoisten, für den Schwätzer, der zuerst vorprescht und dann seine Mitmenschen im Stich lässt. Eine tapfere, offene, aufrichtige, mutige und strebsame Jugend ist das einzige Fundament, auf dem die ... Zukunft aufgebaut werden kann.“
Sri Aurobindo
„Eine neue Welt, die auf Wahrheit gegründet ist und die alte Sklaverei der Falschheit zurückweist, will Geburt annehmen.
In allen Ländern gibt es Menschen, die das wissen, ja dies fühlen.
Ihnen rufen wir zu: „Wollt ihr mitarbeiten?“
Die Mutter
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